ES BRENNT und keiner geht hin

Sternzeit 10 | 2021. Im südlichen Niederösterreich brennt der Wald. Unwegsames Gelände. Ein langes Wochenende steht auf der to-do Liste, keine Termine und Zeit für Erholung und Vorbereitung für die kommende Vorweihnachtszeit. Nächste Woche steht Allerheiligen und Allerseelen am Programm. Wieder ein Feiertag. Wieder Zeit für einem selbst, wieder Zeit die Batterien aufzuladen.

Ein Start in den November wie immer? Nein, in Niederösterreich nicht. Seit Februar 2020 ist einmal nicht das C-Virus schuld. Im südlichen Niederösterreich brennen rund 120 Ha Waldgebiet.

Schnell wird klar. Die örtlichen Kräfte können dieses Szenario nur mit externer Hilfe bewältigen. Der Sonderdienst Wald- und Flurbrandbekämpfung, der Flugdienst, der Katastrophenhilfsdienst, das BMI, das österr. Bundesheer so wie Einheiten der Bergrettung, des Rettungsdienstes und in weiterer Folge Einheiten aus anderen Bundesländern werden alarmiert um einen der größten Waldbrandeinsätze der österreichischen Geschichte zu bekämpfen.

Das österreichische System der Freiwilligen Feuerwehr zeigt wieder. Auf uns Feuerwehren kann sich Österreich verlassen. Zu Spitzenseiten befinden sich rund 800 Helferinnen und Helfer „am Berg“. Arbeiten und größten Anstrengungen, gegen Absturz gesichert, Hand in Hand mit vielen anderen Organisationen.

Keiner „von uns“ fragt warum? Keiner schreibt Überstunden. Jeder von uns bringt innerhalb kürzester Zeit sein Leben in Unordnung. Checkt und koordiniert alles, um jetzt Zeit für den Einsatz zu haben. Ein – für uns Angehörige der (NÖ) Feuerwehr – ein ganz normaler Auftrag.

Helfen, wann immer es notwendig ist. Das ist gut. Das ist wichtig. Wichtig für die Gesellschaft. Was wäre, wenn wir dieses System nicht hätten? Sind wir in einer gesellschaftlichen Situation angelangt, in der es „normal“ ist das die Feuerwehr kommt. Tagelang den Berg bearbeitet, Einsatzkräfte ohne Ende mobilisiert, gemeinsam mit Polizei und Bundesheer den Einsatz aus der Luft bewältigen? Ja, für die öffentliche Wahrnehmung ist das normal. Für einen Großteil der Öffentlichkeit ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Feuerwehr kommt. Immer, zu jeder Tages- und Nachtzeit.

In den Medien und von der Politik kommt Anerkennung für das freiwillige Feuerwehrwesen in Österreich wellenartig. In „Friedenszeiten“ sind wir kaum beachtet. In dieser Zeit kosten wir der Öffentlichkeit Geld. In dieser Zeit wird im Parlament diskutiert ob eine Kindergartengruppe wichtiger als ein weiteres Löschfahrzeug ist.

Ab Ende Oktober 2021 ist dies für ein kurzes Zeitfenster ein wenig anderes. Wir sind in der Öffentlichkeit. Die letzten großen Ereignisse aus dem Bereich Zivil- und Katastrophenschutz haben eines gezeigt. Die öffentliche mediale Aufmerksamkeit verhält sich wie eine Hochwasserwelle. Ist die Welle durch, erinnert sich kaum noch jemand an die Leistung die durch FREIWILLIGE in diesem Land geleistet wurde.

Ein Umdenken ist unbedingt erforderlich. Ich blicke hier wieder einmal durch die Feuerwehrbrille. Mein Heimatverband und die dazugehörigen Freiwilligen Feuerwehren werden nicht müde uns als FREIWILLIGE FEUERWEHR darzustellen. Die Feuerwehren genießen zwar ein hohes Ansehen in der Bevölkerung, nur den wenigsten ist bewusst, dass wir das alles neben einem fulltime Job, neben Familie, Freunde, anderen Hobbies und den allgemeinen sozialen Verpflichtungen machen.

Der Waldbrandeinsatz im südlichen Niederösterreich hat uns das wieder einmal ganz klar gezeigt. Die Öffentlichkeit nahm die Feuerwehr war. Die Verantwortlichen vor Ort betonten bei jeder Gelegenheit die unglaublichen Leistungen der freiwilligen Einsatzkräfte.

In den „Regionalmedien“ der Bundeshauptstadt kam dann nur noch Feuerwehr statt Freiwillige Feuerwehr an. Mittlerweile ist der Brand gelöscht. Ein Großteil der Nachbereitungen ist erledigt und die freiwilligen Einheiten sind ready 2 go. Ready 2 go für das „Feuerwehralltagsgeschäft“, aber auch für Großeinsätze wie die Waldbrandbekämpfung oder Einsätze durch meteorologische Events.

Als Mitglied einer freiwilligen Organisation ist es wenig nachvollziehbar, dass noch während den Einsatz politische Debatten über Hubschrauber und notwendiger Hilfe aus dem Ausland losgebrachen. Es ist richtig und wichtig, dass dieses und auch andere Themen aufgearbeitet werden, Maßnahmen definiert und auf dem Weg gebracht werden müssen und wir selbstkritisch das eine oder andere Hinterfragen. Die (öffentliche) Debatte müsste meiner Meinung nach anders laufen. Weg von Schuldzuweisungen. Blamegames helfen dem Fortschritt selten weiter. Hin zu, Diskussionen und permanenter Wertschätzung gegenüber dem Freiwilligenwesen.

In welchem Land wäre es möglich gewesen, dass im Zuge eines derartigen Einsatzes über 8000 freiwillige 24/7 am Einsatzerfolg arbeiten. Ohne Rücksicht auf Überstunden, Ruhezeiten, definierten Ablösen nach x-Stunden?

Wir benötigen eine öffentliche Debatte welche Nutzen es für Organisationen hat, aktive Mitglieder einzustellen und für derartige Szenarien freizustellen? Wo ist die Debatte über die verbrauchten Urlaubs- und Zeitausgleichtage während des Waldbrandeinsatzes im südlichen Niederösterreich? Wo ist der (selbsternannte) kritische Journalismus in Österreich der sich genau auf diese Themen setzt? Wo ist der Widerstand, wenn in Friedenszeiten wieder einmal Mittel für Feuerwehr & Katastrophenschutz gekürzt bzw. nicht erhöht werden?

Die Menschen in diesem Land verlassen sich auf „IHRE“ Feuerwehr. Die Öffentlichkeit kann sich auf alle freiwilligen Organisationen in diesem Land verlassen. Das Notrettungswesen funktioniert in diesem Land (noch). Es funktioniert weil es eine enorm hohe Anzahl an Menschen gibt, die bereit sind Zeit für das System, für die Feuerwehr (Bergrettung, Rettungsdienst u.ä.) aufzuwenden.

Liebe Leserin, lieber Leser: Danke, das du dir die Zeit genommen für diesen Betrag im Sinne der freiwilligen Organisation. Sorgen wir dafür, dass unser Notrettungswesen noch lange besteht. Unterstützt eure lokale Feuerwehr. Es ist einfach. Es ist gut. Es ist wichtig.

… bis demnächst in diese Theater.

stay safe and make some noise.

meier & out

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